Sonja Fuhrmann:
Wir sprechen heute über das Thema Omnichannel im E-Commerce. Joubin, was genau meint Omnichannel?
Joubin Rahimi:
Es wird häufig genannt, der Begriff. Er wird häufig genannt. Er wird ja auch Multichannel genannt oder Cross Channel.
Sonja Fuhrmann:
Ist das dasselbe?
Joubin Rahimi:
Nein, das ist eigentlich eine Evolutionsfolge. Wir kommen ja aus der Filial-Welt und irgendwann hast du neben der Filial-Welt dann auch den Versandhandel gehabt, wie Otto und Co. Und dann kam ein bisschen später das Internet. Das waren getrennte Kanäle. Ich kann mich noch daran erinnern, dass MediaMarkt auch die Internet-Stores dann irgendwann eröffnet hat, oder den. Und wenn du dort was bestellt hast, konntest du es auch nicht im Laden zurückgeben. Die haben gesagt: Das hast du ausm Internet bestellt, das ist was anderes. Und das war dann halt einfach Multikanal. Du hast über verschiedene Kanäle verkauft. Cross-Kanal ist im Endeffekt das Thema, wo du sagst, ich gucke schon, dass ich Prozesse auch cross verwebe, ist aber natürlich auch gar nicht so einfach. Der eine oder andere wird es sicherlich aus der Vergangenheit kennen. Und das, was wir heute machen, ist Omnichannel. Omni-Kanal, weil es geht ja gar nicht um den Kanal. Wenn wir an den Kunden denken, den Kunden im Mittelpunkt bewegen, der hat ja seinen Weg, wie er kaufen möchte. Und der kann über verschiedene Kanäle sein. Nehmen wir mal beispielsweise bei Omnichannel sehr schön und das mal zu beleuchten: Die Deutsche Bahn. Als sie angefangen hat, die Punkte zu vergeben für all die Vielfahrer, die viel Bahnfahrer, die kennen das halt. Ich habe die Punkte gesammelt und ich habe mir mal vor ein paar Jahren, wahrscheinlich ist es 10 Jahre her oder 15 Jahre, den Jux gemacht, auf der Webseite zu gucken, telefonisch nachzufragen und mobil. Und ich hatte unterschiedlich Kundenpunktestände, ich weiß nicht, ob du das sogar auch erlebt hast. Du kommst ja auch viel um die-
Sonja Fuhrmann:
Ist mir noch nicht aufgefallen, weil wenn du das sagst, krass.
Joubin Rahimi:
Das war Wahnsinn und dann hat die Deutsche Bahn auch viel gemacht, um das zusammenzuführen, weil es geht ja eigentlich darum, dass ich den richtigen Punktestand habe. Irgendwann ist er richtig, aber es war ein zeitlicher Versatz. Aber guckt einen Nutzer drauf, wenn was passiert und dann willst du es ja überall direkt richtig wissen.
Sonja Fuhrmann:
Ist das heute besser?
Joubin Rahimi:
Bei der Deutschen Bahn ist es viel, viel besser. Also ich würde sagen, besser als die Pünktlichkeit. Immerhin etwas.
Sonja Fuhrmann:
Ja, ihr kauft wahrscheinlich auch auf verschiedenen Kanälen online im Laden. Warum sollte man denn diese verschiedenen Kanäle miteinander vernetzen, wenn doch jeder an sich schon gut funktioniert? Was ist der Mehrwert?
Joubin Rahimi:
Wir leben in einer Welt, wo du als Kunde ja ganz, ganz viele Möglichkeiten hast. Du kannst ja total schnell deinen Anbieter wechseln. Das weiß ja jeder. Wenn ich irgendwie was kaufe und die Retouren nicht beispielsweise im Laden zurückgeben kann, dann denkst du: Was ist denn das? Das ist die gleiche Firma. Wieso kann ich es nicht zurückgeben? Oder wenn ich dann sage: Ich habe was mitgenommen und muss wieder in die Filiale zurück rein. Wieso kann ich es nicht zurückschicken? Warum muss ich dann extra noch mal in die Filiale rein? Das ist etwas, was keine schönen Erlebnisse sind. Die gibt es heute immer noch. Also einer der Discounter und der jetzt kommt der Treppenwitz – kannst du das in einem Laden kaufen, aber nicht im anderen Laden zurückgeben? Er sagt, ist ein anderer. Das ist kein Franchise-Unternehmen. Und das ist nicht an den Kunden gedacht. Und das ist so wichtig, dass wir in der heutigen Zeit den Prozess des Kunden im Mittelpunkt setzen und nicht die Firma mit ihren Prozessen.
Sonja Fuhrmann:
Also mehr Komfort für den Kunden durch Omnichannel? Ist denn Omnichannel der Schlüssel so am Herzen des Kunden? Welches Potenzial siehst du darin?
Joubin Rahimi:
Ich glaube, das ist der Hygiene-Faktor für den neuen Handel. Und das ist egal, ob B2C, B2B, das ist egal. Denn was erwarten wir? Wir möchten doch einfach, dass es vernünftig läuft. Als Käufer will ich doch einfach nur, dass es gut läuft. Und wenn ich dann halt als Käufer verstehen muss, dass bestimmte Sachen über einen Kanal nicht funktionieren, dann ist das nicht gut. Aktuelles Beispiel, jetzt nicht klassisch E-Commerce, sondern Banking. Die Deutsche Bank hat ja die Postbank übernommen und die Software wurde dann auf die Deutsche Bank Software umgeschrieben. Funktionen, die vorher möglich waren, waren dann nicht mehr möglich und Sachen, die man auf der App machen konnte, waren dann gar nicht mehr auf der App möglich, sondern nur noch auf dem Desktop. Das muss man verstehen und das führt zu Frustration. Frustration führt zu negativer Bewertung und die gehen wir ja viel, viel schneller in der heutigen Zeit raus als ein gutes Erlebnis. Das ist ja Faktor 1:20 grob und daher ist das mega wichtig, dass man das einfach grundsätzlich anders denkt.
Sonja Fuhrmann:
Zufriedene Kunden sind gute Kunden.
Joubin Rahimi:
Total.
Sonja Fuhrmann:
Wie profitieren Unternehmen von Omnichannel?
Joubin Rahimi:
Nachhaltigkeit. Zum einen Kunden, die ja gute Kundenerfahrungen haben und das effizient durchleben, verursachen auch – ich formuliere es auch mal so hart – weniger Aufwand. Und der Aufwandstreiber bei Unternehmen sind ja alle manuellen Prozesse. Wenn ich die im Griff habe über all diese Kanäle, weil wir Menschen denken nicht in Kanälen und wollen das ja auch nicht, dann spare ich einfach eine Menge Geld bei gleichzeitigem Komfortgewinn für den Endkunden. Das ist für mich ein Must-have. Und wenn Unternehmensentscheider und Lenker sagen: Brauche ich nicht. Dann mag das für eine gewisse Zeit sein. Wir haben den einen oder anderen Kunden auch in der Riege, die so exklusive Produkte haben, dass es noch geht, aber irgendwann wird es nicht mehr gehen.
Sonja Fuhrmann:
Klingt nach einem echten Mehrwert, auch für die Unternehmer. Welche neuen Technologien werden den Omnichannel-Handel wirklich nachhaltig verändern und nach vorne bringen?
Joubin Rahimi:
Wenn du beispielsweise an Loyalty Cards denkst, an die Verknüpfung an einem Self Checkout oder ich möchte DECATHLON einfach mal hervorheben. Also vorneweg, DECATHLON ist nicht unser Kunde. Ich möchte mich da nicht mit fremden Federn schmücken, aber DECATHLON macht es dennoch richtig gut und machen es richtig schön. Sie haben a) eine ganz andere Kultur. Sie sagen, was in Ländern erfunden wird an Prozessen, Technologien, sollen andere auch nutzen. Also sie sagen, nicht wir in der Zentrale geben alles vor und wissen alles besser. Das ist, glaube ich, grundsätzlich ein Mindset, das dazu führt, dass das, was ich jetzt erzähle, überhaupt möglich ist. Du hast eine DECATHLON-App, hast eine Kundenkarte, geht relativ schnell, einfacher Zugang, du schaust dir was im Netz an. Das ist, glaube ich, der allertypische Case, wenn du zu DECATHLON gehst. Haben die das Fahrrad, haben die Basketballe, Kleidung, sonst was, packst du ein paar Sachen schon im Warenkorb, gehst dann in den Laden rein und findest etwas nicht oder hast eine Frage oder willst noch was hinzufügen. Und der Berater, Beraterin, können dir dann direkt auch sagen: Okay, ich scanne mal deine Kundenkarte ein, und da haben sie deinen Warenkorb. Und dann können sie den Warenkorb füllen und dann können sie sagen: Möchtest du jetzt auschecken? Wir schicken dir alles nach Hause. Oder nimmst du alles mit und nimmst deinen Self Checkout. Und das ist doch klasse. Echt bequem. Also wenn ich dann einfach sage: Okay, eigentlich will ich es jetzt gar nicht einräumen. Ich habe das jetzt alles. Pack mir das da drauf, ich schließe das dann mit dir ab oder ich mache das zusammen an der Kasse und bekomme es geliefert.
Sonja Fuhrmann:
Clever.
Joubin Rahimi:
Auch super.
Sonja Fuhrmann:
Ja. Wie siehst du die Zukunft von Omnichannel?
Joubin Rahimi:
Wird noch schneller sein, noch flexibler und noch integrierter. Und da machen uns, aus meiner Sicht, die Asiaten das Tor in die Zukunft auf, weil sie leben da viel, viel mehr. Es ist vielmehr mobil, weil du dann halt das Mobile ja auch im Laden nutzen kannst oder on the way, on the go. Häufig haben wir kurze Impulse und dann willst du das ja auch irgendwie erledigt haben. Das führt ja so weit dazu, dass du eigentlich schon über Instagram wenn du Impulse hast, dann sagst du: Jetzt kaufe ich. Das heißt, das ist jetzt nicht wirklich Omnichannel. Für einen Kunden ist es nicht Omnichannel, ist ja Instagram. Aber wenn ich als Händler da bin und sage, ich bespiele meine Zielgruppe, geschickt mit bestimmten Themen und habe tolle Gedanken und Ideen dazu, kann ich darüber mega schnell verkaufen. Das ist dann aus meiner Sicht schon mal No Line, was einfach noch mal eine andere Gedankenwelt ist.
Sonja Fuhrmann:
Vielen Dank für das Gespräch, Joubin.
Joubin Rahimi:
Danke Sonja.
Sonja Fuhrmann:
Und vielen Dank euch für euer Interesse.
Joubin Rahimi:
Und schreibt uns doch bitte mal auf, wie ihr Omnichannel lebt, womit ihr gute Erfahrungen gemacht habt und womit ihr auch schlechte Erfahrungen habt. Lasst der Community doch einfach an euren Erfahrungsschatz teilhaben, damit wir alle davon lernen können. Danke.